Die Schweiz kannte eine eigenständige Automobilproduktion mit Martini, Turicum oder anderen, in der Schweiz wurden edle Marken mit edlen Karosserien versehen. In der Schweiz wurden aber auch ausländische Fahrzeuge komplett montiert. So wurden beispielsweise in Schinznach-Bad bei der AMAG, respektive der Automontage Schinznach AG zwischen 1949 und 1972 rund 30'000 Fahrzeuge gebaut.
Schinznach-Bad, eine kleine Gemeinde im Aargau, die erst in den dreissiger Jahren den heute bekannten Namen erhielt, wurde kurz nach dem zweiten Weltkrieg zu einem der grossen Automobilbauzentren der Schweiz. Doch warum ausgerechnet Schinznach-Bad, dieses bislang verschlafene Nest im Aaretal?
Während 1949 begann die ASAG (Automontage Schinznach AG) mit der Montage der ersten Plymouth- und Standard-Limousinen.
Auch wenn in der Wahrnehmung der Oeffentlichkeit die AMAG in Schinznach-Bad Autos montiert hatte, so ist das juristisch nicht ganz korrekt. Die Montagetätigkeit erfolgte in einer rechtlich eigenständigen Firma, der ASAG Automontage Schinznach AG, die wie die AMAG zur Walter Haefner Holding AG gehörte. Mit dem in Basel ansässigen Garagenbetrieb mit dem Namen ASAG hatte das Montageunternehmen nichts zu tun.
Aus der Not wurde im Laufe der Jahre eine Tugend. Was aus Kostengründen in Schinznach begann, entwickelte sich schon sehr schnell zu einem Qualitätslabel. Die Fertigungsqualität der Rohkarossen, die Rostschutzbehandlung oder die zum Teil aus schweizer Produktion verwendeten Materialien waren deutlich besser. Auch speziell für die Schweiz: „Montage Suisse“-Autos waren besser ausgestattet als ihre amerikanischen Vorbilder.
Willy Huter, einziger und langjähriger Direktor der Automontage brachte es schon in den fünfziger Jahren auf den Punkt: „Die kleine Schrift «Montage Suisse», die wir auf allen von uns montierten Fahrzeugen anbringen, muss immer für höchste Qualität bürgen!“
1954 erfuhren alle Mitarbeitenden: „Vom allerersten Arbeitsgang an müssen die Facharbeiter in der Automontage sich bewusst sein, dass es ernst gilt und dass von der Qualität ihrer Arbeit der Verkaufserfolg, die Zufriedenheit der Kunden und die Sicherung der eigenen Existenz mit abhängen. Ein guter Mann hat seinen Stolz und seine Devise: «Ich pfusche nie!» - Der Plymouth ‘Suisse’, man weiss es, zählt zu den besten Erfolgen auf dem Schweizer Markt.“
Die ersten zehn Montage-Jahre können als „die Plymouth-Jahre bezeichnet werden. Bereits im ersten Montage-Jahr rollten 66 Fahrzeuge in Schinznach-Bad vom Band. Bis 1959 wurden über 7'100 Fahrzeuge gebaut. Im Vergleich dazu nehmen sich die 42 Chrysler, und je rund 250 DeSoto und Dodges bescheiden aus. Anfang der Fünfziger war die Liefertreue aus Detroit sehr schlecht, da war man froh, dass zur Ueberbrückung und Auslastung auch über 500 Standard Vanguards gebaut werden konnten.
Als Ende der Fünfziger die Amerikaner immer grösser wurden - „Das Amerikanerwagengeschäft ist in ein ganz neues Stadium getreten. Die Wagen sind länger, breiter und teurer geworden und daran muss sich die Kundschaft zuerst gewöhnen….. diese schönen und schnellen Wagen verkaufen sich nicht von selbst. Die Tendenz der heutigen Kaufinteressenten, auf Kosten des eigentlich ersehnten Komforts einen kleineren Wagen als den heutigen grossen Amerikaner anzuschaffen, muss überwunden werden.“ – war man in Schinznach-Bad dankbar, dass rund 1000 Einheiten des damals neuen, schnittigen Karmann-Ghia-Coupés in der Schweiz – zur Entlastung der Produktion in Osnabrück – montiert werden konnten.
Während die Amerikaner komplett in Einzelteilen angeliefert wurden, lieferte Karmann komplette Rohkarossen in die Schweiz, die hier noch mit Türen und Hauben versehen werden mussten. Nach Korosionsschutz und Lackierung fand in der Schweiz „nur“ die Endmontage statt.
Als Intermezzo kann die kurzfristige Produktion von Studebaker-Fahrzeugen ab 1959 bezeichnet werden. Der Konkurs der US-Gesellschaft verhinderte einen grösseren Erfolg.
Die Schweizer fanden die grossen Amis nicht mehr so praktisch, europäische Alternativen waren kompakter und praktischer, der ebenfalls von der AMAG importierte VW Käfer hatte schon lange zum Siegeszug auf Schweizer Strassen angesetzt. Alternativen waren gefragt. Die Lösungen hiessen 1960, resp. 1961 Chrysler Valiant und Dodge Dart. Zwei für damalige US-Verhältnisse kompakte Mittelklasselimousinen, angetrieben von Reihen-Sechszylindermotoren. Die AMAG positionierte den „Valiant“ sogar als eigenständige Marke.
Damit sollte klar gezeigt werden, dass der Valiant kein grosses „Amischiff“ war. Bis zur Einstellung der Montagetätigkeit in Schinznach-Bad wurden rund 14'000 Valiants gebaut. Mal waren es Chrysler, mal Plymouth. Der Dodge Dart, bautechnisch ein Schwestermodell des Valiant, brachte es inklusive der Untervarianten Dart HT und Demon auf rund 4'700 Einheiten.
Gegen Ende der Sechziger Jahre verfiel die amerikanische Autoindustrie wieder dem Gigantismus, diesmal in Sachen Hubraum und Leistung. Mit Verlaub darf wohl gesagt werden, dass die Fahrwerke und Bremsen dieser Fahrzeuge den Motorenleistungen nicht gerecht wurden. Insbesondere die Schweizer Topographie war nicht gemacht für die amerikanischen „Muscle-Cars“. So nahm das Interesse an den Valiants und Darts laufend ab. Gleichzeitig hatte die AMAG mit der von Volkswagen gekauften Audi NSU Auto Union AG plötzlich mit Audi 90, Audi 100 oder NSU RO 80 ein neues, verbrauchsärmeres Angebot in der Mittel- und gehobenen Mittelklasse.
Die Nachfrage nach in der Schweiz montierten Fahrzeugen nahm laufend ab. Die Automontage konnte nicht mehr rentabel geführt werden. Hatte die Montage in Schinznach mit einem Plymouth begonnen, so lief sie 1972 auch mit einem Plymouth, einem Plymouth Valiant, nach 29'227 Einheiten aus. Der Importvertrag für Fahrzeuge des Chryslerkonzerns lief noch bis 1980.
Am Standort Schinznach wurden die Montageanlagen abgebrochen. In den Montagehallen befinden sich heute - nach mehreren Umbauten - eine grosse Werkstatt mit Spenglerei, Lackierei und Ersatzteillager sowie Büroräumlichkeiten des Importbereichs der AMAG. Schinznach-Bad ist noch immer, nach bald 60 Jahren, das Importzentrum der AMAG-Gruppe.
Nicht alle in Schinznach-Bad montiert
«Nicht jedes Fahrzeug der Chrysler Corporation, welches durch die AMAG Gruppe verkauft wurde, war auch ein wirklich ein «Montage Schinznach» Auto, also in Schinznach-Bad montiert worden – obwohl es eine Automontage Schinznach AG-Plakette im Motorraum hat. So wurden von der Valiant-Modellreihe nur die viertürige Limousine in grösseren Stückzahlen in Schinznach-Bad montiert. Andere Versionen, wie z.B. der Zweitürer oder die Kombiversion wurden als komplette Fahrzeuge in die Schweiz importiert. Diese Fahrzeuge wurden in der Schweiz nur gecheckt und es wurde nachgearbeitet, wo notwendig, sie erhielten ein «Swiss Finish». Da das ganze Amerikaner-Importgeschäft in den Händen der Automontage Schinznach AG lag, erhielten diese eine entsprechende Plakette im Motorraum, jedoch keine weiteren von aussen sichtbare Montage-Kennzeichnungen.
Vor allem bei den jüngeren Jahrgängen der Valiant und Dart-Modelle ist anhand der Fahrgestellnummer erkennbar, ob es sich um einen «echten Schweizer» handelt. Steht an siebter Stelle der Fahgestellnummer eine 8, dann wurde das Auto auch in der Schweiz montiert.»
Die Vorzüge der Montage Suisse aus der Sicht des Werbetexters 1956:
PLYMOUTH SUISSE Noch schöner - noch exklusiver!
Es wäre durchaus zu verstehen, dass Sie Ihren neuen PLYMOUTH SUISSE ausschliesslich seiner technischen Vollkommenheit wegen wählten und der Überlegenheit seines Karosseriestiles und seiner Ausstattung keine besondere Beachtung schenken würden. Aber gerade die traditionellen handwerklichen Finessen der SCHWEIZER MONTAGE verleihen ihm mächtige zusätzliche Impulse. Mehr denn je zuvor ergänzt die hervorragend abgestimmte und bewundernswert vollständige Ausstattung des PLYMOIJTH SUISSE 1956 seine überlegene Leistungsfähigkeit und sprühende Kraft. Achten Sie auf die schwerelose, durch keinerlei wesensfremde Ornamentik überladene Linie des neuen Modelles. Bewundernde Blicke folgen Ihnen, wenn Sie am Steuer dieses Wirklichkeit gewordenen Traumwagens sitzen.
Sie haben die freie Wahl aus unzähligen modernen und doch zeitlosen Farben und Kombinationen. Die Stoff- und Kunstlederbezüge der Sitze - eigens für den PLYMOUTH SUISSE gewoben - zeugen von auserlesenem Geschmack. Damit ist der PLYMOUTH SUISSE - ohne seine Zugehörigkeit zur preisgünstigsten Amerikanerwagenkategorie zu verleugnen - in die Klasse der eigentlichen Luxusfahrzeuge vorgestossen. Kann es Sie daher noch verwundern, dass der PLYMOUTH SUISSE 1956 von zahlreichen Automobilisten als der schönste seiner Art gewürdigt -- und gekauft wird?