Historie

In der Schweiz wurden auch ausländische Fahrzeuge komplett montiert. So wurden beispielsweise in Schinznach-Bad bei der AMAG zwischen 1949 und 1972 rund 30'000 Fahrzeuge gebaut.
Schinznach

Automontage Schinznach

Die Schweiz kannte eine eigenständige Automobilproduktion mit Martini, Turicum oder anderen, in der Schweiz wurden edle Marken mit edlen Karosserien versehen. In der Schweiz wurden aber auch ausländische Fahrzeuge komplett montiert. So wurden beispielsweise in Schinznach-Bad bei der AMAG, respektive der Automontage Schinznach AG zwischen 1949 und 1972 rund 30'000 Fahrzeuge gebaut.

 

Schinznach-Bad, eine kleine Gemeinde im Aargau, die erst in den dreissiger Jahren den heute bekannten Namen erhielt, wurde kurz nach dem zweiten Weltkrieg zu einem der grossen Automobilbauzentren der Schweiz. Doch warum ausgerechnet Schinznach-Bad, dieses bislang verschlafene Nest im Aaretal?

Da die europäische Automobilindustrie durch die Kriegswirren noch sehr geschwächt war, gab es nur ein sehr beschränktes Modellangebot. Ziel war es hier in erster Linie, überhaupt ein Fahrzeugangebot zu haben. Auf Prestige und Komfort wurde in Europa verzichtet. In der Schweiz, die vom Krieg verschont blieb, war die Situation etwas anders. Man wollte sich etwas leisten, die Nachfrage nach neuen Autos und das Geld waren da. Die englische Autoindustrie und vor allem die amerikanische konnten liefern.

 

Doch was brachte ein Automobilhandelsunternehmen dazu, Fahrzeug selber im eigenen Lande zu montieren? Wie häufig bei solchen Entscheidungen war der Fiskus Grund genug. Auf Komplettfahrzeugen aus den USA hatten die Schweizer Zollbehörden beinahe protektionistische Zollgebühren erhoben. Teilelieferungen hingegen waren sehr günstig, denn sie schafften Arbeitsplätze.

Der Standort Schinznach-Bad

Während 1949 begann die ASAG (Automontage Schinznach AG) mit der Montage der ersten Plymouth- und Standard-Limousinen.

 

ASAG – nicht AMAG

Auch wenn in der Wahrnehmung der Oeffentlichkeit die AMAG in Schinznach-Bad Autos montiert hatte, so ist das juristisch nicht ganz korrekt. Die Montagetätigkeit erfolgte in einer rechtlich eigenständigen Firma, der ASAG Automontage Schinznach AG, die wie die AMAG zur Walter Haefner Holding AG gehörte. Mit dem in Basel ansässigen Garagenbetrieb mit dem Namen ASAG hatte das Montageunternehmen nichts zu tun.

Aus der Not wurde im Laufe der Jahre eine Tugend. Was aus Kostengründen in Schinznach begann, entwickelte sich schon sehr schnell zu einem Qualitätslabel. Die Fertigungsqualität der Rohkarossen, die Rostschutzbehandlung oder die zum Teil aus schweizer Produktion verwendeten Materialien waren deutlich besser. Auch speziell für die Schweiz: „Montage Suisse“-Autos waren besser ausgestattet als ihre amerikanischen Vorbilder.

Willy Huter, einziger und langjähriger  Direktor der Automontage brachte es schon in den fünfziger Jahren auf den Punkt: „Die kleine Schrift «Montage Suisse», die wir auf allen von uns montierten Fahrzeugen anbringen, muss immer für höchste Qualität bürgen!“

1954 erfuhren alle Mitarbeitenden: „Vom allerersten Arbeitsgang an müssen die Facharbeiter in der Automontage sich bewusst sein, dass es ernst gilt und dass von der Qualität ihrer Arbeit der Verkaufserfolg, die Zufriedenheit der Kunden und die Sicherung der eigenen Existenz mit abhängen. Ein guter Mann hat seinen Stolz und seine Devise: «Ich pfusche nie!» - Der Plymouth ‘Suisse’, man weiss es, zählt zu den besten Erfolgen auf dem Schweizer Markt.“

VW Montage
Schinznach Bad

 

Blick hinter die Kulissen

Mit welchen Problemen hatten die Arbeiterinnen und Arbeiter zu kämpfen?

Wie in einer grossen Autofabrik mussten die Anlagen vor einem neuen „Serienanlauf“ angepasst und umgebaut werden. Dafür erhielt die ASAG jeweils 4 bis 6 Monaten vor Beginn des neuen Modelljahres Pläne, die zur Anfertigung der Montagelehren dienten. Sie stellten die Abbildungen der für den Export bestimmten Montagelehren dar. Da auf diesen Lehren jeweils nur ein Probewagen gebaut wurde, waren sie und demzufolge die Pläne noch lange nicht reif für die Serienproduktion. Es war dann Sache der ASAG-Arbeiter, die notwendigen Verbesserungen und Änderungen herauszufinden, bis sie den gewünschten Genauigkeitsgrad hatten. Bis die entsprechenden Montagelehren dann hergestellt waren, vergingen rund 6 Wochen. 

Nicht hinzugerechnet sind hier die Justierungsarbeiten beim Serienanlauf. Mit der Produktion des neuen Jahrgangs musste dann im Dezember begonnen werden, damit die Verkaufsspitzen im März, April und Mai optimal bedient werden konnten.

Sobald die anfänglichen Produktionsschwierigkeiten überwunden waren, dauerte die Montagezeit pro Wagen je nach Sonderausrüstung und Lackierung (2-farbig, 3-farbig) 160 bis 180 Stunden. In den fünfziger Jahren war das Montageprogramm auf 5 Fahrzeuge pro Tag eingestellt.

Ein weiteres Problem waren die Materiallieferungen. Das Material, was dringend benötigt wurde, hatte häufig doppelt so lange wie geplant, während der normale Nachschub natürlich termingerecht geliefert wurde. Willy Huter dazu in einem Interview 1957: „Wir müssen im Durchschnitt 3 bis 4 Kisten öffnen um das Material für 12 Wagen, das in einer Kiste sein sollte, zusammenbringen. Die Ursache ist: fehlendes, defektes oder falsch geliefertes Material. Dies erschwert die Materialverteilung kolossal und bringt grosse Platzprobleme sowie Umtriebe mit sich.“

Die ASAG konnte in den USA jeweils 12 Autos pro Transportkiste bestellen. Alle Fahrzeuge waren von der Ausstattung her identisch. Doch die Kundenwünsche waren schon in den Fünfzigern individuell. So kam es vor dass keine zwei Autos identisch ausgeliefert werden konnten. Willy Huter dazu: „Neben den 4 verschiedenen Motoren haben wir 4 verschiedene Getriebe, 7 verschiedene Polsterüberzüge und zudem eine ganze Anzahl von Zubehören (Powersteering, Powerbrakes, Radio etc., etc.), die auf Wunsch der Kunden in einzelne Fahrzeuge eingebaut oder weggelassen werden müssen. Hinzu kommen die verschiedenen Farbkombinationswünsche, welche die Typenreihe auf eine dreistellige Zahl hinaufschrauben!“ – und dies bei zwölf identisch gelieferten Fahrzeugsätzen….  

Die ersten zehn Montage-Jahre können als „die Plymouth-Jahre bezeichnet werden. Bereits im ersten Montage-Jahr rollten 66 Fahrzeuge in Schinznach-Bad vom Band. Bis 1959 wurden über 7'100 Fahrzeuge gebaut. Im Vergleich dazu nehmen sich die 42 Chrysler, und je rund 250 DeSoto und Dodges bescheiden aus. Anfang der Fünfziger war die Liefertreue aus Detroit sehr schlecht, da war man froh, dass zur Ueberbrückung und Auslastung auch über 500 Standard Vanguards gebaut werden konnten.

Als Ende der Fünfziger die Amerikaner immer grösser wurden - „Das Amerikanerwagengeschäft ist in ein ganz neues Stadium getreten. Die Wagen sind länger, breiter und teurer geworden und daran muss sich die Kundschaft zuerst gewöhnen….. diese schönen und schnellen Wagen verkaufen sich nicht von selbst. Die Tendenz der heutigen Kaufinteressenten, auf Kosten des eigentlich ersehnten Komforts einen kleineren Wagen als den heutigen grossen Amerikaner anzuschaffen, muss überwunden werden.“ – war man in Schinznach-Bad dankbar, dass rund 1000 Einheiten des damals neuen, schnittigen Karmann-Ghia-Coupés in der Schweiz – zur Entlastung der Produktion in Osnabrück – montiert werden konnten.

Während die Amerikaner komplett in Einzelteilen angeliefert wurden, lieferte Karmann komplette Rohkarossen in die Schweiz, die hier noch mit Türen und Hauben versehen werden mussten. Nach Korosionsschutz und Lackierung fand in der Schweiz „nur“ die Endmontage statt.

Als Intermezzo kann die kurzfristige Produktion von Studebaker-Fahrzeugen ab 1959 bezeichnet werden. Der Konkurs der US-Gesellschaft verhinderte einen grösseren Erfolg.

Die Schweizer fanden die grossen Amis nicht mehr so praktisch, europäische Alternativen waren kompakter und praktischer, der ebenfalls von der AMAG importierte VW Käfer hatte schon lange zum Siegeszug auf Schweizer Strassen angesetzt. Alternativen waren gefragt. Die Lösungen hiessen 1960, resp. 1961 Chrysler Valiant und Dodge Dart. Zwei für damalige US-Verhältnisse kompakte Mittelklasselimousinen, angetrieben von Reihen-Sechszylindermotoren. Die AMAG positionierte den „Valiant“ sogar als eigenständige Marke.

Damit sollte klar gezeigt werden, dass der Valiant kein grosses „Amischiff“ war. Bis zur Einstellung der Montagetätigkeit in Schinznach-Bad wurden rund 14'000 Valiants gebaut. Mal waren es Chrysler, mal Plymouth. Der Dodge Dart, bautechnisch ein Schwestermodell des Valiant, brachte es inklusive der Untervarianten Dart HT und Demon auf rund 4'700 Einheiten. 

Gegen Ende der Sechziger Jahre verfiel die amerikanische Autoindustrie wieder dem Gigantismus, diesmal in Sachen Hubraum und Leistung. Mit Verlaub darf wohl gesagt werden, dass die Fahrwerke und Bremsen dieser Fahrzeuge den Motorenleistungen nicht gerecht wurden. Insbesondere die Schweizer Topographie war nicht gemacht für die amerikanischen „Muscle-Cars“. So nahm das Interesse an den Valiants und Darts laufend ab. Gleichzeitig hatte die AMAG mit der von Volkswagen gekauften Audi NSU Auto Union AG plötzlich mit Audi 90, Audi 100 oder NSU RO 80 ein neues, verbrauchsärmeres Angebot in der Mittel- und gehobenen Mittelklasse.

Die Nachfrage nach in der Schweiz montierten Fahrzeugen nahm laufend ab. Die Automontage konnte nicht mehr rentabel geführt werden. Hatte die Montage in Schinznach mit einem Plymouth begonnen, so lief sie 1972 auch mit einem Plymouth, einem Plymouth Valiant, nach 29'227 Einheiten aus. Der Importvertrag für Fahrzeuge des Chryslerkonzerns lief noch bis 1980.

Am Standort Schinznach wurden die Montageanlagen abgebrochen. In den Montagehallen befinden sich heute -  nach mehreren Umbauten - eine grosse Werkstatt mit Spenglerei, Lackierei und Ersatzteillager sowie Büroräumlichkeiten des Importbereichs der AMAG. Schinznach-Bad ist noch immer, nach bald 60 Jahren, das Importzentrum der AMAG-Gruppe.

Nicht alle in Schinznach-Bad montiert
«Nicht jedes Fahrzeug der Chrysler Corporation, welches durch die AMAG Gruppe verkauft wurde, war auch ein wirklich ein «Montage Schinznach» Auto, also in Schinznach-Bad montiert worden – obwohl es eine Automontage Schinznach AG-Plakette im Motorraum hat. So wurden von der Valiant-Modellreihe nur die viertürige Limousine in grösseren Stückzahlen in Schinznach-Bad montiert. Andere Versionen, wie z.B. der Zweitürer oder die Kombiversion wurden als komplette Fahrzeuge in die Schweiz importiert. Diese Fahrzeuge wurden in der Schweiz nur gecheckt und es wurde nachgearbeitet, wo notwendig, sie erhielten ein «Swiss Finish». Da das ganze Amerikaner-Importgeschäft in den Händen der Automontage Schinznach AG lag, erhielten diese eine entsprechende Plakette im Motorraum, jedoch keine weiteren von aussen sichtbare Montage-Kennzeichnungen.

Vor allem bei den jüngeren Jahrgängen der Valiant und Dart-Modelle ist anhand der Fahrgestellnummer erkennbar, ob es sich um einen «echten Schweizer» handelt. Steht an siebter Stelle der Fahgestellnummer eine 8, dann wurde das Auto auch in der Schweiz montiert.»

Plymouth


Die Vorzüge der Montage Suisse aus der Sicht des Werbetexters 1956:

PLYMOUTH SUISSE Noch schöner - noch exklusiver!

Es wäre durchaus zu verstehen, dass Sie Ihren neuen PLYMOUTH SUISSE ausschliesslich seiner tech­nischen Vollkommenheit wegen wählten und der Überlegenheit seines Karosseriestiles und seiner Ausstattung keine besondere Beachtung schenken würden. Aber gerade die traditionellen handwerk­lichen Finessen der SCHWEIZER MONTAGE ver­leihen ihm mächtige zusätzliche Impulse. Mehr denn je zuvor ergänzt die hervorragend abgestimm­te und bewundernswert vollständige Ausstattung des PLYMOIJTH SUISSE 1956 seine überlegene Lei­stungsfähigkeit und sprühende Kraft. Achten Sie auf die schwerelose, durch keinerlei wesensfremde Ornamentik überladene Linie des neuen Modelles. Bewundernde Blicke folgen Ihnen, wenn Sie am Steuer dieses Wirklichkeit geworde­nen Traumwagens sitzen.

Sie haben die freie Wahl aus unzähligen mo­dernen und doch zeitlosen Farben und Kombina­tionen. Die Stoff- und Kunstlederbezüge der Sitze - eigens für den PLYMOUTH SUISSE gewoben - zeugen von auserlesenem Geschmack. Damit ist der PLYMOUTH SUISSE - ohne seine Zugehörigkeit zur preisgünstigsten Amerikanerwagenkategorie zu verleugnen - in die Klasse der eigentlichen Luxus­fahrzeuge vorgestossen. Kann es Sie daher noch verwundern, dass der PLYMOUTH SUISSE 1956 von zahlreichen Automobilisten als der schönste seiner Art gewürdigt -- und gekauft wird?

Weitere Inhalte